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VDA 5050 Globaler Standard aus Europa

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Dass unterschiedliche elektrisch angetriebene und autonome Fahrzeuge auf dem Betriebsgelände miteinander auskommen müssen, kommt heutzutage in der Intralogistik häufig vor. Wenn diese noch von unterschiedlichen Herstellern sind, kann es kompliziert werden. Ein gemeinsamer Standard aus Europa sorgt seit einiger Zeit für Abhilfe - die VDA 5050. Immer mehr Hersteller setzen darauf, nun soll daraus ein globaler Standard werden. Wolfgang Hillinger, DS Automotion und VDA verrät uns wie.

Interview: Peter Nestler

Peter Nestler:

Wie ist die Grundproblematik rund um den relativ neuen Standard VDA 5050 entstanden?

Wolfgang Hillinger: Die Grundproblematik zu dem Thema ist bei unseren Kunden entstanden. Ein großes Klientel ist bei uns die Automobilindustrie, die dem VDA (Verband der deutschen Automobilhersteller) zugehörig sind. Die haben erkannt, dass das Produkt und die Lösungen der FTS (fahrerlose Transportsysteme) und der AMR (autonomen mobile Robots) für sie immer wichtiger wird und einen wichtigen Bestandteil ihrer eigenen Produktion darstellt. Die haben bereits viele dieser Anlagen installiert und festgestellt, dass es sich dabei oft um unterschiedliche Hersteller mit verschiedenen Systemen handelt. Bei einer Produktionslinie mag das noch nicht so kritisch sein, aber im Bereich der Intralogistik kann das Thema viel spannender werden, wenn man bemerkt, dass verschiedene Fahrzeuge von unterschiedlichen Herstellern ein und denselben Fahrweg nützen wollen. Da kann sich nämlich herausstellen, dass diese an sich banale Situation gelegentlich durchaus schwierig ist. Weiters ist seitens VDA die Situation entstanden, dass ein Leitsystem in einer Anlage gewünscht wird, die alle meine Fahrzeuge verwalten und steuern kann. Es geht letztlich dabei um eine Frage der Effizienz und Zuverlässigkeit innerhalb einer Anlage.

Zunächst gab es zu dieser Frage einige Insellösungen, die aber allesamt nicht der große Wurf waren, auch weil da einige Hersteller nichtdabei waren. Und mit dieser Ausgangssituation ist dann der VDA an den VDMA (Verband der deutschen Maschinen- und Anlagenbauer) herangetreten und hat gemeint: Wir haben da einen Wunsch – wir würden gerne einen Standardisierungs- und Harmonisiserungsprozess starten, wo wir in der Lage sind, eine Fleet Control und auch die Fahrzeuge zu standardisieren. An den VDMA deshalb, weil dort die ganzen FTS-Hersteller vertreten sind. Das war dann auch der Startschuss, dass im VDMA ein Fachbereich neu gegründet wurde zum Thema fahrerlose Transportsysteme und AMR und mit der Agenda, den genannten Automatisierungsprozess zu starten. Aus diesen Bemühungen heraus ist dann der Standard VDA 5050 losgetreten worden.

Begonnen hat die Entwicklung dann mit der Frage: Wer hat denn überhaupt Interesse daran mitzuarbeiten. Am Anfang hat es etwas gedauert, bis wir bei den Firmen das Interesse wecken konnten, da mitzumachen. Aber es ist dann bald eine Kernanzahl der relevanten Player gemeinsam am Tisch gesessen und hat gesagt: Ja, wir wollen den Schritt gemeinsam gehen und schauen uns an, wie realistisch das ist, dieses Ziel gemeinsam zu verfolgen.

Peter Nestler:

Diese Ausgangslage tritt immer bei der Entwicklung neuer Standards auf. Welchen Charakter hat der VDA 5050, Standards sind ja üblicherweise eine Empfehlung.

Wolfgang Hillinger: Es handelt sich dabei um einen klassischen Standard. Wir haben mit einem Standardisierungsprotokoll begonnen: Bevor wir in Details gehen wollten, sollten wir uns zu einem gemeinsamen Protokoll bekennen, wie wir bei den Systemen miteinander sprechen. Das war der Startschuss für die Entwicklung des Standards – die Kommunikationsebene zu standardisieren. Wir haben untersucht, welche Informationen verteilt werden und haben da bereits erkannt, wie unterschiedlich die einzelnen Systeme arbeiten. Da gibt es zum Teil unterschiedliche Ideologien. Für einige Hersteller ist eine Fleet Control ist nur notwendig, damit ich eine Schnittstelle zum Kundensystem habe, aber die Intelligenz ist zur Gänze beim Fahrzeug. Andere gehen davon aus, dass ihr System so klug ist, dass es von der Fahrzeugseite her alle Situationen handeln kann. Wir mussten also zunächst alle Stakeholder an einen Tisch bringen und die Problematik aufzeigen.

In einem ersten Schritt wurden dann zunächst einfache Systeme harmonisiert, in dem Fall waren das spurgebundene Fahrzeuge. Da gibt es nur an Kreuzungsbereichen eine Kommunikation. So wurde begonnen – bei einfacher Komplexität und man hat dann immer größere Komplexität hineingebracht und bewältigt bis hin zur Berücksichtigung unterschiedlicher Navigationsarten.

Mittlerweile ist man bereits auf einem gewissen Niveau, wo man bereits unterschiedliche Fahrzeuge verschiedenster Ausprägung steuern kann – also zum Beispiel ein Fahrzeug, das eine Last unterfährt, das kann ein Gabelfahrzeug sein, egal ob lasernavigiert, konturbasiert, mit Magnetnavigation – also wirklich die ganze Bandbreite.

Einmal im Jahr gibt es den IFOY Award. Und diese Plattform haben wir genutzt, um ein sogenanntes Mesh-Up zu machen. Es handelt sich dabei um eine Veranstaltung des VDMA, wo wir ein Live-Event veranstalten, um zu zeigen, wie weit wir bereits sind bei der Harmonisierung der Systeme. In diesem Jahr waren bereits sieben verschiedene Hersteller daran beteiligt. Wir haben eine Testfläche bekommen und auf dieser haben wir gemeinsam einen Fahrkurs abgebildet, auf dem die unterschiedlichsten Fahrzeuge zeitgleich gefahren sind. Und diese wurden von einer gemeinsamen Fleet Contro​​​​​​​l gesteuert und verwaltet. Wir wollen damit aufzeigen, welche Komplexität wir nun imstande sind zu bewältigen und damit den Entwicklungsstand immer wieder zeigen.

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Peter Nestler:

Welche Themen und Anwendungen umfasst die VDA 5050 derzeit und was wird noch dazukommen? Das kann im Lauf der Zeit sehr komplex werden.

Wolfgang Hillinger: Wir werden damit in der Lage sein, mit einer einheitlichen Fleet Control für unsere klassischen FTS und AMR zu agieren. Damit können wir auch unseren Kunden sagen: Du bestellst neue Fahrzeuge bei mir, möchtest aber auch drei Fahrzeuge von einem anderen Hersteller dazuhaben in dieselbe Anlage. Und wir werden das dann dort gemeinsam realisieren und in Betrieb nehmen.

Peter Nestler:

Wie wird dann diese Fleet Control abgewickelt. Ist das eine einheitliche Software oder ein gemeinsames Steuerungssystem?

Wolfgang Hillinger: Jeder Hersteller hat sein eigenes Softwarepaket zur Steuerung der Fahrzeuge. Und die Firmen, die da unter dem gemeinsamen Standard VDA 5050 mitarbeiten bei der Entwicklung des Standards, ertüchtigen ihre bestehende Fleet Control, dass sie mit ihrer Fleet Control diesen Standard entsprechend mitberücksichtigen. Wir haben auch unser entsprechendes Produkt NAVIOS so weiterentwickelt und haben dort das Konzept der VDA 5050 zur Gänze umgesetzt. Wir sind somit in der Lage, auch eine bestehende Anlage mit Fahrzeugen anderer Hersteller mitzuintegrieren. Ich muss dazu nur wissen, ob der andere Lieferant ebenfalls VDA 5050 konform ist. Im Wesentlichen sparen wir uns auch die Diskussion früherer Tage, wer passt sein System an welches an.

Da gab es immer wieder eine Pattsituation, wo sich niemand bewegen wollte. Und der Kunde hat gemerkt, dass er da nicht wirklich weiterkommt. Zudem war oft nicht geklärt, wer eigentlich verantwortlich ist bei der Inbetriebnahme eines Systems. Heute geht es auch darum, ein gewisses Rollenbild und eine Verantwortlichkeitsmatrix zu erstellen. Und das kann der Standard VDA 5050 gewährleisten. Nun ist klar, was ein Hersteller liefern muss, und wie schaut die entsprechende Verantwortlichkeit aus. Damit kann man auch eine Konformitätserklärung erstellen. Am Ende des Tages übergeben wir die Anlage dem Kunden und dann muss sichergestellt werden, dass alles normgerecht realisiert worden ist.

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Peter Nestler:

Wie groß ist gegenwärtig die Beteiligung der Hersteller am Standard VDA 5050? Wer ist dabei – oder besser: Wer ist nicht dabei?

Wolfgang Hillinger: Die großen Player sind alle an der Entwicklung der VDA 5050 mitbeteiligt. Auf die noch fehlenden Hersteller entsteht bereits Druck aus dem Kundenmarkt, sich ebenfalls daran zu beteiligen. Der Standard bedeute einen großen Benefit für den Kunden, denn der kauft sich nicht nur eine gewisse Flexibilität in dem Sinne, dass er etwas unabhängiger von der Auswahl des Lieferanten wird. Denn er kann ja immer wieder die Systeme durchmischen.

Peter Nestler:

Bedeutet das nicht auf der anderen Seite eine Bedrohung für die Hersteller, wenn der Kunde so frei in seinen Entscheidungen ist? Denn schließlich muss er nun unter Einsatz des Standards VDA 5050 nicht mehr alles aus einer Hand nehmen.

Wolfgang Hillinger: Zu Beginn der Entwicklung des Standards hat man tatsächlich eine Art Bedrohung gesehen und sich gefragt: Wo kann das enden? Und es gab Befürchtungen von Geschäftseinbußen. Aber alle, die sich damit ernsthaft auseinandergesetzt haben, haben erkannt, dass es sich dabei auch um eine Chance handelt. Denn jeder Hersteller hat unterschiedliche Schwerpunkte und Herangehensweisen in der Entwicklung seiner Produkte und somit auch unterschiedliche Kompetenzen im Unternehmen. Bei so einer Entwicklung muss man auch die positiven Aspekte hervorheben, denke ich.

Und auch die Lieferanten haben erkannt, dass es sich lohnen kann Anlagen zu verkaufen, in denen relativ wenig Risiko steckt, beziehungsweis wo das Risiko woanders liegt und nicht im eigenen Bereich. Und es hat sich das Bewusstsein bei den Herstellern breit gemacht, dass es nicht unbedingt schlecht ist, was andere anbieten. Somit war die Entwicklung des Standards auch für den Markt selbst positiv. Es hat sich letzten Endes eine Community gebildet, wo man unter den Entwicklern erkannt hat, dass ein gewisser Spirit entstanden ist und man durchaus coole Lösungen entwickeln kann.

Peter Nestler:

Gibt es noch wichtige Hersteller, die nicht am Standard VDA 5050 teilnehmen und bei denen es sich auszahlen würde, sie zu integrieren? Wie geht man da vor?

Die Automobilindustrie ist von dem Konzept überzeugt. Wir wollen nun in einem nächsten Schritt mit der VDA 5050 einen globalen Standard schaffen. Allerdings haben wir dazu momentan im VDMA eine starke Limitierung, was die Mitarbeit da drinnen anbelangt. Also haben wir gesagt: Wir können es nur dann zu einem globalen Standard schaffen, wenn wir auch das Teilnehmerfeld an der Entwicklung größer aufstellen, also global. Es müssen nicht nur die Hersteller beteiligt werden, sondern auch die Kunden und andere relevante Stakeholder, die ihre Interessen einbringen können sollen. Nun haben wir im VDMA beschlossen, dass wir eine Arbeitsgemeinschaft bilden. Dazu wird eine Arbeitsgruppe aus dem VDMA ausgelagert. Diese hat nun die Möglichkeit alle Kunden, Lieferanten und Stakeholder aus dem Bereich, Universitäten etc. mit an Bord zu bringen, damit sie an dieser Weiterentwicklung mitarbeiten können.

Der Startschuss ist jetzt gefallen und wir sind bereits auf der Suche nach Interessengruppen, die an der Weiterentwicklung mitarbeiten können und sich einbringen wollen. Die Schirmherrschaft hat noch immer der VDMA, aber die Möglichkeiten sind nun auch anders. Jedenfalls haben wir bereits zu Anfang der Entwicklung gesagt: Wenn wir einen globalen Standard haben wollen, dann muss dieser Open Source sein, denn nur so kann der angenommen werden und nur so erkennen auch unsere Kunden die Vorteile davon. Wir sind zuversichtlich, was die Weiterentwicklung der VDA 5050 zu einem globalen Standard anlangt. Und im Oktober gibt es eine Konferenz, auf der wir die VDA 5050 erstmals auf dem nordamerikanischen Markt präsentieren.

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Dann wünschen wir viel Erfolg bei den nächsten Schritten und bedanken uns fürs Gespräch!

Peter Nestler

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